Zeugnis geben – von Glaubenserfahrungen erzählen

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Zeugnis geben

von Glaubenserfahrungen erzählen

Wolfram Kopfermann

Ich möchte Gedanken zu einem sehr praktischen Thema weitergeben, nämlich zur Frage unseres Zeugnisses vor andern. Überall, wo Menschen der Wirklichkeit Gottes neu begegnen, wird ihr öffentliches  Bekenntnis freigesetzt. Sie reden von dem, was sie erlebt haben, ohne von außen dazu gedrängt zu sein. Nicht die Zeugnispflicht bestimmt ihr Sprechen, sondern die überfließende Freude. Dies gilt für alle Epochen der Geschichte, besonders im evangelischen Raum hat das „Zeugnis geben“ eine lange Tradition. Es wird vielfach als Ausdruck einer speziellen Frömmigkeitsrichtung angesehen, nämlich der pietistischen. Viele möchten das Bekenntnis vor anderen begrenzen auf das „Zeugnis der Tat“ und empfinden es als unnötig, bloß subjektiv, peinlich, ja mitunter als hochmütig, in der Ichform über den Glauben zu reden. Vielleicht können die folgenden Überlegungen zur Versachlichung des Gesprächs, zur Ermutigung der Eingeschüchterten und zur zeitnäheren Gestaltung des Glaubenszeugnisses beitragen.

I. Warum Zeugnis geben?

1. Wir bezeugen unseren Glauben, weil dies völlig natürlich ist.

Wer sich über etwas freut, spricht stets darüber. Das gilt unabhängig vom Gegenstand der Freude: ob es sich nun um ein geliebtes Hobby, eine beglückende Begegnung, einen überraschenden persönlichen Erfolg oder ein leidenschaftlich vertretenes Anliegen handelt. „Wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund über“ (Matth 12,34). Was Jesus hier aussprach, gehört einfach zum Menschsein.

2. Gott erwartet, dass wir unseren Glauben bezeugen.

a) In den Psalmen begegnen wir der Urform biblischen Zeugnisses. „Ursprüngliche Form des Dankes ist das mit dem Danklied verbundene Dankopfer, wahrscheinlich als Opfermahl in Gemeinschaft mit anderen am Heiligtum dargebracht …, nicht Privatangelegenheit des einzelnen. … Der Dank besteht neben der Darbringung des Opfers in der  Nacherzählung dessen, was Gott an dem einzelnen oder dem Volk getan hat (Ps 9,2; 26,7.12; 75,2; 79,13; 105,1; 107,21 f; 109, 30;  111,1; 118, 21 u. ö. …)“. (Werner H. Schmidt in W. H. Schmidt/G. Delling: Wörterbuch zur Bibel, 1971, S.77, vgl. zum Ganzen die wichtige Arbeit von Claus Westermann: Lob und Klage in den Psalmen, 1977). Der „berichtende Lobpsalm“ beinhaltet also ein persönliches Erzählen dessen, was Gott für Menschen getan hat. Ähnliches finden wir im Neuen Testament, wobei Joh 1,41; 1,45; 4,28-30; Apg 3,9 wenige willkürlich herausgegriffene Beispiele sind.

b) An anderen Stellen wird das Bekenntnis zu Christus geboten, vgl. Matth 10,32-33; Mark 8,38. Bekennen ist immer ein öffentlicher Akt. Sein Inhalt ist zwar nicht gleichzusetzen mit dem persönlichen Erfahrungszeugnis, kann sich andererseits aber auch nicht auf die Rezitation dogmatischer Sätze beschränken; auf diese Weise hat er immer eine Nähe zum Erfahrungszeugnis des Glaubens. In 1. Petrus 2, 9-10 wird die Absicht Gottes bei der Erlösung und Erwählung seiner Kinder so umschrieben: “ … damit ihr die Großtaten dessen verkündigt, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat.“ Wie soll dieser Auftrag, der hier an alle Christen ohne Ausnahme gerichtet ist, wahrgenommen werden, ohne von der eigenen Lebensgeschichte zu sprechen?

3. Gott wird durch unser Zeugnis „groß gemacht“

Es gibt viele Möglichkeiten, andere Menschen oder auch unsere Probleme „groß zu machen“ – wenn wir Zeugnis geben, wird Gott in seiner Liebe und Güte verherrlicht. In Abwandlung von Luk 15,7 könnten wir sagen: Es ist Freude im Himmel über jeden Christen, der den Herrn mit seinem Mund bezeugt.

4. Wer Erfahrungen des Glaubens weitersagt, ermutigt andere Mensche

Und zwar Suchende und bereits Glaubende. Den Suchenden wird auf diese Weise verdeutlicht, dass Gott nicht nur abstrakte Theorie, sondern handelnde, erfahrbare Wirklichkeit ist. Die Glaubenden werden provoziert, mehr als bisher mit Gottes Eingreifen zu rechnen.

5. Auf diese Weise wird auch der eigene Glaube gefestigt

Wer seine Zugehörigkeit zu Jesus Christus in persönlicher Weise vor anderen bekannt hat, hat sich dadurch festgelegt. Er wird in der Folgezeit scharf und nicht immer wohlwollend beobachtet. Die anderen wissen, mit wem sie es zu tun haben, kritisieren ihn, wenn sie unchristliche Reaktionen zu erkennen glauben, und helfen ihm dadurch zu wachsender Glaubwürdigkeit.

6. In Gesprächen mit Außenstehenden führt das persönliche Zeugnisgeben in der Regel zu einer Klimaveränderung

Fromme und unfromme Menschen sind oft geübt darin, über Gott zu diskutieren; dabei ändert sich in der Regel kaum etwas. Wo aber jemand seine Erfahrungen mit Gott einbringt, wendet sich häufig das Gespräch. Wir sollen Gott weder beweisen noch verteidigen; wo wir ihn bezeugen, werden Menschen immer wieder in sein Kraftfeld hineingezogen.

II. Wie Zeugnis geben

 Die folgenden fünf „P’s“ können nützlich sein, um das Zeugnis hilfreich zu gestalten.

1. Sprich persönlich!

Sage nicht „man“ oder „wir“, sondern „ich“, und lass deinem Zeugnis jene unverwechselbare Eigenart, die es gerade als dein Zeugnis ausweist. Wir haben Zeugnisse gehört, die so abgeschliffen waren, dass etwa 100 unterschiedliche Menschen sie als Umschreibung ihrer eigenen Erfahrungen hätten anerkennen können. Das Zeugnis sollte der Eigenart des Zeugen entsprechen.

2. Sprich positiv!

Mitunter müssen negative Sätze einfließen, weil ohne sie das Zeugnis nicht verständlich wird. Aber der Gesamteindruck des Beitrages sollte positiv sein.

3. Sprich praktisch!

Es geht nicht darum, Lesefrüchte, Erkenntnisse oder allgemeine Möglichkeiten weiterzusagen. Das Zeugnis entspringt der Erfahrung und es dient neuer Erfahrung.

4. Sprich produktiv!

Das Zeugnis soll andere Menschen weiterbringen und ermutigen. Frage: Was haben andere davon, dass ich ihnen dies mitteile?

5. Sprich primitiv (d.h. elementar)!

Führe deine Zuhörer nicht durch verschlungene Pfade; erzähle eine Erfahrung so anschaulich wie nötig, so kurz wie möglich.

III. Mögliche Hindernisse

Eine lange Prägung hat uns „beigebracht“: über Religion spricht man nicht. Das Ergebnis ist die völlige Privatisierung des Glaubens. Aber der christliche Glaube war und ist niemals Privatsache. Wir haben uns zwischen dem alten Dogma von der Privatheit des eigenen Glaubens und Jesus Christus zu entscheiden. Manche Menschen sind psychisch zu stark gehemmt, um mit ihrem Zeugnis herauszukommen. Mit einem bloßen Willensentschluss ist solche „Schüchternheit“ nicht zu überwinden. In diesem Fall sind geistliche Schritte nötig, um das zu überwinden, woraus die Sprachlosigkeit des Glaubens resultiert. Es gibt keinen Menschen, durch den Jesus Christus nicht bezeugt werden will (Rö 10,9-10). In Apg 1,8 wird den Jüngern gesagt: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch kommt, und werdet meine Zeugen sein.“ Wer sein Leben dem Heiligen Geist noch nicht geöffnet hat, muss es als unmöglich oder unzumutbar empfinden, Christi Zeuge zu sein. Umgekehrt: Wer mit dem Heiligen Geist erfüllt ist, aus dem fließt es heraus.

Ein anderes Hindernis für das persönliche Zeugnis kann darin bestehen, dass Menschen keine neuen Gotteserfahrungen erwarten. Sie leben gleichsam nicht mit dem gegenwärtigen Gott, sondern in der Erinnerung an den Christus von früher. Ihre Erzählungen von leicht angestaubten Glaubenserlebnissen wirken ermüdend, auch für sie selbst.

Ein wesentliches Hindernis liegt in dem bewussten Ungehorsam, d. h. willentlich festgehaltenen Sünden. Wer an gottwidrigem Verhalten festhält, wird kein Zeuge sein können. Wenn er die Sünde loslässt, kann er als befreiter Mensch wieder Zeuge sein.

IV. Mögliche Schwachpunkte

Auch wenn das Glaubenszeugnis einem inneren Impuls entspringt, ist seine Gestalt von uns zu verantworten. Es kann ein Zeichen von Vertrauen sein, wenn jemand, wie ich es neulich hörte, seinen persönlichen Beitrag so einleitet: „Ich habe mich auf dieses Zeugnis nicht vorbereitet, damit der Heilige Geist durch mich sprechen kann.“ In der Regel haben solche Zeugnisse allerdings eher etwas Ungeordnetes, geraten zu breit, wirken unkonzentriert, kurz: es zeigt sich einmal mehr, dass die sorgfältige persönliche Vorbereitung wichtig ist und nicht im Gegensatz zum Vertrauen auf Eingebungen des Geistes steht. Im Folgenden soll auf einige Fehlformen des Zeugnisses hingewiesen werden. Zeugnis als

1. Beichtstuhl. Manche Leute möchten auf dem Wege über das, was sie ihr Zeugnis nennen, bei anderen Interesse für ihre Probleme wecken. Solche Beiträge ermutigen andere Menschen nicht und sind nicht glaubensweckend, auch wenn sie „ehrlich“ wirken. Probleme können in einer Gebetsgruppe, je nachdem auch unter vier Augen vorgebracht werden. Zeugnisgeben heißt, von den Siegen Gottes in unserem Leben berichten. (Die gegenteilige Gefahr, dass durch Lebenszeugnisse der Eindruck von eigener Perfektion geweckt wird, besteht grundsätzlich durchaus.)

2. Übertreibungen. Es dürfte in der Regel nicht zutreffen, wenn jemand behauptet: „Jesus Christus hat mein Leben völlig verändert.“ Die Lebensübergabe an ihn bringt in jedem Fall Veränderungen, aber niemals eine totale Verwandlung des persönlichen Lebens mit sich. Übertreibungen lassen Außenstehende stets an unserer Aufrichtigkeit zweifeln. Sie entspringen dem Überschwang oder dem Wunschdenken. Richtig ist es, präzis anzugeben, auf welchen Gebieten unseres Lebens wir welche Veränderungen wahrgenommen haben. Hier gilt der alte Satz: „Geh keinen Millimeter über deine Erfahrung hinaus.“

3. Der moralische Schwanz. Viele Christen begnügen sich nicht damit, über ihre Glaubenserfahrung zu berichten; sie schwingen sich zu Mini-Evangelisten auf, etwa so: „Darum lade ich euch alle ein, auch zu Jesus zu kommen.“ Sie erlauben dem Zuhörer nicht, seine eigenen Folgerungen zu ziehen, und vermengen dadurch Zeugnis und Predigt. Eine Predigt kann zwar durchaus zeugnishafte Züge tragen, aber ein Zeugnis mit Predigtanhang wirkt peinlich. Ein alter Rat: „Die drei letzten Sätze ersatzlos streichen!“

Der christliche Glaube war und ist niemals Privatsache.

4. Zeugnis als Intimbericht. Manche Menschen haben die Tendenz, anderen beim Zeugnisgeben ihre intimen Empfindungen und Erfahrungen mitzuteilen, was von den Zuhörenden als peinlich, häufig auch als belustigend empfunden wird. Die Grenze zwischen dem Persönlichen, ohne das ein Zeugnis blass wirkt, und dem Intimen, das nicht in die Öffentlichkeit gehört, ist theoretisch schwer zu ziehen. Darum ist das Feedback zu Zeugnissen so wichtig.

5. Der Roman. Manche Menschen möchten in einem öffentlichen Zeugnis die Fülle ihres Lebens unterbringen. Sie setzen breit an und ermüden die Konzentration ihrer Hörer. Das Zeugnis sollte eher einer Anekdote gleichen als einem Roman.

6. Das Labyrinth. Bei dieser Form des Zeugnisses verliert der Zuhörer total den Überblick, weil der rote Faden, der nach draußen führt, nicht mehr sichtbar ist. Der Zeugnisgebende hatte vergessen, sich vorher klar zu machen, welches die eine Haupterfahrung ist, die er vermitteln wollte.

7. Die Sprache Kanaans. Manche Menschen reden beim Zeugnisgeben ein Insider-Kauderwelsch, das man eigentlich ins Deutsche übersetzen müsste. Sie stören damit die Kommunikation mit den Außenstehenden oder Menschen anderer geistlicher Gruppierungen, die diesen frommen Dialekt nicht beherrschen. Es geht beim Zeugnisgeben darum, die Sache des Glaubens in der Sprache der Zeitgenossen auszudrücken. Das Zeugnis sollte nicht schon auf Grund seiner Unverständlichkeit Missfallen erregen.

Nicht jede Glaubenserfahrung eignet sich für das öffentliche Zeugnis. Außenstehende oder Neulinge haben keinen Zugang zu manchen tieferen Erfahrungen, die für Menschen beglückend sein mögen, welche jahrzehntelang mit Jesus Christus leben. Auch aus anderen Gründen ist nicht alles für die Öffentlichkeit bestimmt, was Gott seinen Kindern an Beglückendem zuteilwerden lässt. Paulus etwa hat eine Erfahrung 14 Jahre lang für sich behalten (2. Kor. 12,2).

V. Ermutigung

Trotz all dieser Überlegungen geht es natürlich nicht um das chemisch reine, total korrekte Zeugnis. Ein älterer katholischer Mitchrist sagte mir vor einiger Zeit im Blick auf die Weitergabe des Zeugnisses: „Wer verliebt ist, kann ruhig einmal dummes Zeug reden.“ Einverstanden! Aber glaubt man ihm seine Liebe nicht noch mehr, wenn er kein „dummes Zeug“ redet?

Dieser Artikel erschien erstmals unter der Überschrift „Zur  Frage unseres Zeugnisses“ in: Rundbrief-Sonderdruck der Charismatischen Gemeinde-Erneuerung in der evangelischen Kirche, Juni 1981, S. 1-7. Überarbeitung 2016

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